(Letzte Aktualisierung: 14.03.2021)
1. Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen.
2. Absatz 1 beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält.
Konventionsrechtliche, umfassende Auslegung des Eigentumsbegriffs
Der EGMR legt den Begriff des Eigentums „konventionsrechtlich“ aus. Es gibt also einen für ganz Europa einheitlich zu verstehenden Eigentumsbegriff, der von den Regelungen in den einzelnen Ländern unabhängig ist. Geschütztes Eigentum ist nicht nur das, was das Zivilrecht des jeweiligen Landes als Eigentum anerkennt.
Zum Eigentum gehören zum einen Sachen im ursprünglichen Sinne des Eigentums. Zum anderen aber auch Rechte, Rechtspositionen und Interessen, die einen Vermögenswert haben. Dazu gehören bspw. Forderungen, Rechte an einem Grundstück, Ansprüche auf staatliche Leistungen oder Urheber- und Patentrechte. Aber auch vertragliche Ansprüche wie bspw. das Recht des Mieters auf Nutzung einer Sache, unterstehen dem Schutz des ersten Zusatzprotokolls. Bei Forderungen ist insoweit zu beachten, dass eine engere Bindung an das nationale Recht besteht, weil eine nicht durchsetzbare Forderung keinen Vermögenswert besitzt.
Enteignung und Nutzungsbeschränkung
Ob eine Enteignungsmaßnahme rechtmäßig ist, wird in erster Linie den staatlichen Behörden und Gerichten überlassen. Der EGMR nimmt sich hier zurück und beschränkt seine Prüfungskompetenz darauf, ob willkürliche Maßnahmen vorliegen.
Benutzungsregelungen gemäß Abs. 2 lassen das Eigentum bestehen, regeln aber dessen Benutzung. Im Gegensatz zur genannten faktischen Enteignung handelt es sich aber meist um eine allgemeine Ausgestaltung des Eigentumsrechts. Dazu gehören bspw. Mieterschutzregelungen, die das Eigentumsrecht des Vermieters näher bestimmen. Für derartige Benutzungsregelungen muss normalerweise keine Entschädigung gezahlt werden.